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Keine Stelle

Wie Umweltministerin Monika Griefahn einen mißliebigen Mitarbeiter loswurde.


Als Willi Real, Leiter des Referats für Öffentlichkeitsarbeit im Umweltministerium des Landes Niedersachsen, aus dem Urlaub zurückkehrte, erwarteten ihn schlechte Nachrichten.
Die Personalabteilung des Ministeriums hatte ihm eine sogenannte Versetzungsverfügung auf den Tisch gelegt. Real verlor seine bisherige Funktion als Referatsleiter und wurde zum Referenten zurückgestuft.
Doch Real, der noch unter der CDU/FDP-Regierung eingestellt worden war, fügte sich nicht der Anweisung seiner neuen Herrin - inzwischen hatte die parteilose Monika Griefahn auf dem Sessel des Umweltministers Platz genommen - und zog vor das Arbeitsgericht Hannover.
Zuerst mußte das Gericht die Frage entscheiden, ob das Land Niedersachsen Real als Referatsleiter eingestellt hatte. Hier konnte Real einen Sieg verbuchen. Das Gericht bestätigte seinen Status als Referatsleiter. Rückstufung kam also nicht in Frage. Da die ehemalige Greenpeace-Aktivistin Griefahn aber darauf beharrte, Real als Leiter der Öffentlichkeitsarbeit abzulösen, mußte sie ihm die Leitung eines anderen Referats vorschlagen. Doch der Leiter des Personalreferats, Kay Nitsche, erklärte vor Gericht, daß eine Referatsstelle im Umweltministerium nicht zur Verfügung stünde.
"Im arbeitsgerichtlichen Verfahren Dr. Real / Land Niedersachsen habe ich vorgetragen, daß Referatsleiterstellen, für die Dr. Real überhaupt in Frage kommen könne,
nicht mehr unbesetzt seien", heißt es in einem Vermerk Nitsches vom 28. Februar 1991 an Peter Müller, den Leiter des Organisationsreferates, Reinhard Schmalz. "Insbesondere in bezug auf Referat 107", so Nitsche weiter, "habe ich vorgetragen, daß...die Referatsleitung Herrn...BAXMANN obliege und somit keine Referatsleitestelle mehr im Referat 107 zu besetzen sei"
Damit hatte Nitsche sich weit vorgewagt. Die Referatsleiterstelle war offensichtlich noch nicht endgültig vergeben. In seinem Vermerk verlangte Nitsche denn auch, die Referatsleitung von ALFRED BAXMANN "im Geschäftsverteilungsplan auch auzuweisen und nicht ein NN zu vemerken. Andernfalls könnte man des Prozeßbetruges bezichtigt werden"
Müller und Schmalz hatten gegen die Forderung ihres Kollegen, über die auch die Ministerin unterrichtet war, keine Bedenken. BAXMANN kam auf den Plan - allerdings erst, nachdem ein Bedenken Griefahns ausgeräumt war. Die Ministerin allerdings fürchtete, von der Ernennung BAXMANNs, den sie offenbar nicht an der Stelle sehen wollte, "möglicherweise nicht mehr loszukommen". Erst als Schmalz und Müller ihr erklärten, daß durch die Einsetzung von BAXMANN im Geschäftsverteilungsplan nichts "präjudiziert" werde, stimmte sie zu. BAXMANN wurde jedoch lediglich mit der "Wahrnehmung der Geschäfte" beauftragt - und schied ein Jahr später wieder aus. Er arbeitet jetzt im Kultusministerium.
Damit, daß die Aussage Nitsche vor Gericht nicht ganz koscher war, hatte die niedersächsische Umweltministerin, die im Schattenkabinett des SPD-Kanzlerkandidaten für das Umweltresort vorgesehen ist, offenbar keine Probleme. Als Abteilungsleiter Peter Müller "um Unterrichtung und Erlangung der Zustimmung von Frau Ministerin" zu dem Begehren Nitsches bat, hakte der Leiter des Ministerbüros, Peter Grabowski, den Vermerk mit einem großen "OK" ab. Real war damit augebootet. Zu dem Zeitpunkt, als BAXMANN die Referatsleitestelle räumte, arbeitete Real schon nicht mehr im niedersächsischen Umweltministerium, sondern für die Bundesstiftung Umwelt in Osnabrück. Die Trickser im Umweltministerium machten dagegen Karriere: Personalchef Nitsche wurde innerhalb von drei Jahren zweimal befördert. Heute ist er Ministerialrat. Sein Vorgesetzter Peter Müller hat inzwischen den Rang eines Ministerialdirigenten inne.
Und Peter Grabowski ist zum stellvertretenden Abteilungsleiter des Ressorts Ökologische Planung aufgestiegen. Der Fall, so kommentiert das Umweltministerium in Hannover heute kühl, sei "Geschichte". Wohl war, aber keine schöne.

Christian Kullmann, Wirtschaftswoche, 14.1.1994

 

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